Wege und Stationen
„Aus gutem Grund greife ich auf Prinzipien realistischer Zeichnung und Malerei zurück, deren Traditionslinien bis zu Dürer, Cranach und Holbein verfolgt werden können und die ihre Entsprechung in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts bei Dix, Scholz, Radziwill und bei Tübke, Mattheuer, Prechtl, Grützke u. a. in jüngster Vergangenheit finden.
Aus dem „Handwerk“ kommend, setzen sie für mich verbindliche Maßstäbe. Nicht das Bedienen kurzlebiger Moden des Kunstmarktes, sondern solide künstlerisch handwerkliche Arbeit ist mein Anliegen.”
Michael Emig kam 1948 in Leipzig zur Welt und sein Leben und künstlerisches Wirken sind mit dieser Stadt eng verbunden. Aufgewachsen in Naumburg nahm er von 1963-67 ersten Zeichenunterricht beim angesehenen Illustrator und Buchdrucker Carl Bernhard Grothe. Im traditionsreichen Grafischen Betrieb C. G. Röder in Leipzig ließ er sich zum Lithographen ausbilden. Parallel besuchte Emig die Abendakademie der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB). Dabei wurde präzises Handwerk die verbindliche Grundlage für künstlerisches Schaffen.
Von 1971-76 studierte er an der HGB unter anderem bei Hans Mayer-Foreyt, Arno Rink, Rolf Kuhrt und Werner Tübke. Diese Lehrer vermittelten einen außerordentlichen künstlerischen und handwerklichen Anspruch verbunden mit präzisem Quellenstudium der figürlichen Malerei, Schulung von Sehgewohnheiten, Proportion und Bildfindung. Als Michael Emig und die Künstler seiner Generation daraus den Maßstab für ihr eigenes Schaffen entwickelten, wurde das zum Usprung der späteren „Leipziger Schule“.
Nach 1976 wirkte Michael Emig in Magdeburg und Naumburg, bis zur Rückkehr nach Leipzig 2017. Dabei wandelten sich die Herausforderungen. Im DDR-Kunstbetrieb erforderten Eigenständigkeit in Botschaft und Ausdruck ein ausreichendes Maß an Widerstand. Das verleiht der Hinwendung des religionslosen Malers zu religiösen Motiven und kirchlichen Formaten eine zusätzliche interessante Facette.
Nach der Zäsur von 1989 traten an Stelle der ideologischen die wirtschaftlichen Herausforderungen und erforderten kreative Lösungen. So entstanden in den Neunziger Jahren in kräftezehrender, aber lohnenswerter Arbeit höchst anerkannte Restaurationen meisterhafter, italienischer Wand- und Deckengemälde in Villen und Bürgerhäusern.
Themen und Motive
„Die schöne schreckliche Welt ist permanente Realität für mich und als solche auch Ausgangspunkt für meine Bilderfindungen. Optische Alltäglichkeiten werden in neue Zusammenhänge gedrängt und entwickeln so ihre eigenen magischen Kräfte. Ich teile Nachrichten mit, auch wenn sie sich auf den ersten Blick nicht erschließen wollen, weil sie durch phantastische Ausdrucksträger als bildnerisches Kryptogramm unter der realen Oberfläche vibrieren.”
Michael Emigs Werk ist ein leidenschaftliches Bekenntnis zur gegenständlichen Malerei. Die Wahl von Form, Technik und Ausdruck folgt tiefer Überzeugung und Hochachtung vor der jahrhundertealten europäischen Bildtradition.
Die Bildwelten sind Ergebnis subversiver Gegenwartsanalyse, gespeist aus einer unstillbaren Neugier auf die Magie des scheinbar Alltäglichen. Die Malerei macht das Banale zur Chiffre, das Gesehene zur Bühne für innere Prozesse.
Religiösen Themen und Motive lesen das sakrale Bildformat nicht als dogmatische Botschaft, sondern als kulturelles Gedächtnis.
Der Blick richtet sich immer wieder auf die menschliche Figur: real, historisch, mythisch oder fiktiv. Das Interesse gilt den menschlichen Entscheidungen, Verstrickungen, Brüchen und Widersprüchen. Sie bilden faszinierende, irritierende oder verstörende Konstellationen – nicht selten mit zerstörerischer Kraft.
„Die Darstellung archetypischer Situationen, Verhaltensweisen, Figuren und deren allgemeiner Charakter und enorme Aktualität provoziert zur weiteren Auseinandersetzung und fordert zur Umsetzung in Malerei oder Druckgraphik heraus.“
Feinsinniger Humor durchzieht Michael Emigs Werk als augenzwinkernder Kommentar und behutsames Infragestellen.
Literatur ist ein wiederkehrender Resonanzraum für Michael Emigs Schaffens. Ovids Metamorphosen begleiten ihn seit dem Studium als dauerhafte Inspirationsquelle. Die Darstellung archetypischer Figuren und Situationen, ihre Wandlungen und symbolische Kraft, provozieren zur künstlerischen Auseinandersetzung – nie als Illustration, immer als eigenständige, malerische Transformation.
Michael Emigs Werk überschreitet die Grenzen bloßer Abbildlichkeit. Es formuliert sich als aktueller und zeitloser künstlerischer Kommentar – bildstark, produktiv irritierend und durchdrungen von den großen Fragen der Zeit.
Techniken und Formen
Michael Emigs Ölmalerei in klassischer Lasurtechnik zeigt beeindruckende Tiefe, Leuchtkraft und farbliche Brillanz. Das Werk umfasst Portraitstudien, erzählerische Mehrfigurenbilder, Landschaftsmalerei und das gesamte Repertoire gegenständlicher Darstellung.
Großformatige Altar- und Historienbildern entfalten eine einzigartige Räumlichkeit.
Rötelzeichnungen in Eisenocker zeigen eine grazile, hochpräzise Strichführung.
Das grafische Werk von Radierung über Linolschnitt bis zu Experimenten mit Kupferstich zeigt Lust an formaler Genauigkeit und erzählerischer Verdichtung.
Die baulichen Arbeiten von Fassadenmalerei bis zu aufwendigen Restaurierungen historischer Wand- und Deckenmalereien zeigen handwerkliche Präzision und die tiefe Vertrautheit mit historischen Maltraditionen.
Michael Emig in Leipzig
Den neuen und “alten” Wirkungssort in Leipzig nutzt Michael Emig, um das Jahrzehnte überspannende Werk kontinuierlich zu vertiefen und zu erweitern. Am Entstehungsort der „Leipziger Schule“ ist ein Werk zu entdecken, das sich an diejenigen wendet, für die dieser Begriff kein populäres Label ist, sondern ein Prädikat für handwerklich und inhaltlich anspruchsvollste Zeugnisse gegenständlicher Malerei der Gegenwart.
Das Werk von Michael Emig ist in Ausstellungen, Sammlungen, öffentlichen und privaten Auftragsarbeiten, Fassadengestaltungen und baubezogenen Arbeiten in Mitteldeutschland und darüber hinaus präsent.

